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Warum adaptives Lernen jetzt zum strategischen Muss wird

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Weiter geht’s mit dem nächsten Beitrag unserer Reihe zur neuen Bedeutsamkeit des adaptiven Lernens. Im letzten Beitrag haben wir gezeigt, warum das Thema gerade jetzt so viel Aufmerksamkeit bekommt: Zum einen, weil die Technologie reif ist. Zum anderen, weil viele Organisationen mit ihren bisherigen Lernlogiken an Grenzen stoßen. Standardisierte Kurse, lineare Curricula und zentral geplante Entwicklungsprogramme liefern in einer Zeit permanenter Veränderung oft nicht mehr die gewünschte Wirkung.

Damit rückt eine grundlegendere Frage in den Fokus: Reicht es, Lernen einfach nur besser zu organisieren – oder müssen wir es von Grund auf neu denken?

Im adaptiven Ansatz wird Lernen vom Kontext der Lernenden her gedacht. Lerninhalte, -ziele und -verläufe orientieren sich nicht länger an starren Vorgaben, sondern an dem, was individuell gebraucht wird. Das setzt voraus, dass Curricula flexibel, modular und dynamisch gestaltet sind – was im Widerspruch zu vielen L&D-Strukturen steht, die auf effiziente Skalierung und zentrale Steuerung ausgelegt sind.

Wenn wir also Lernen wirklich adaptiv gestalten wollen, brauchen wir nicht nur neue Tools – wir brauchen ein neues Konzept von Lernen. Was das bedeutet, welche Studienergebnisse diese Entwicklung stützen und warum an flexiblen, kontextbasierten Lernarchitekturen künftig kaum ein Weg vorbeiführt – das ordnen wir in diesem Beitrag ein.

Adaptive Lernkonzepte mit KI - aber nicht ohne ein Überdenken der Lernkonzepte

Die Erwartungen an Künstliche Intelligenz im Corporate Learning sind groß – vielleicht zu groß. Seit Monaten kursieren viele Versprechen: von Chatbots, die Lernbedarfe erkennen, über automatisierte Lernpfade bis hin zu maßgeschneiderten Empfehlungen auf Knopfdruck. Vieles klingt beeindruckend – und einiges funktioniert technisch bereits gut. Aber: Die didaktische Realität sieht oft anders aus.

Nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch lernlogisch sinnvoll. Darauf verweist unter anderem die aktuelle Studie von Elisabeth Bauer et al. (2025), auf die Prof. Barbara Geyer kürzlich auf LinkedIn hingewiesen hat. Mit dem sogenannten ISAR-Modell liefert die Studie eine Einordnung, wie KI-basierte Lernprozesse wirken können:

  • Inversion: Wenn KI-Einsatz Lernprozesse sogar untergräbt – etwa durch vorschnelle, oberflächliche Antworten, die echtes Verstehen verhindern.
  • Substitution: Wenn KI menschliche Vermittlung ersetzt, aber keinen pädagogischen Mehrwert bietet.
  • Augmentation: Wenn KI gezielt unterstützt – etwa durch intelligentes Feedback oder adaptives Scaffolding.
  • Redefinition: Wenn neue, konstruktive Lernaufgaben entstehen, die ohne KI gar nicht möglich wären.

Gerade diese Differenzierung ist hilfreich, um das Potenzial jenseits des gängigen Tool-Hypes zu bewerten. Denn in der Praxis sehen wir häufig: Neue Features werden integriert, ohne dass sie in ein konsistentes Lernkonzept eingebettet sind. Studien wie der Bitkom-Trendreport 2024 zeigen deutlich: Adaptive Lernökosysteme wirken nur dann nachhaltig, wenn sie Teil eines durchdachten didaktischen Designs sind – und nicht bloß Erweiterungen bestehender LMS-Strukturen.

Auch erste Pilotstudien zur KI-Unterstützung im Lernen bestätigen: Der Erfolg hängt vom kontextsensiblen Einsatz ab. Wenn KI-Systeme auf individuelle Lernverläufe reagieren, Feedback geben und relevante Inhalte zur richtigen Zeit anbieten, steigt nicht nur die Lernmotivation – sondern auch die tatsächliche Anwendbarkeit im Arbeitskontext.

Die zentrale Botschaft: KI kann das Lernen im Unternehmen wirksamer machen – aber nicht von allein. Die Technologie schafft Voraussetzungen. Was daraus entsteht, hängt davon ab, wie wir sie konzeptionell und strategisch einsetzen.

Warum adaptives Lernen kein Luxus ist – sondern eine notwendige Antwort

Dass viele Lernkonzepte in Unternehmen nicht mehr greifen, ist längst bekannt – und liegt selten am fehlenden Engagement der L&D-Verantwortlichen. Vielmehr sitzt das Problem tiefer: Lernen wird vielerorts noch immer als planbare Maßnahme mit fixem Curriculum und standardisierten Zielgruppen gedacht. Der Anspruch: effizient, skalierbar, einheitlich. Doch in einer Realität, die von unterschiedlichen Rollen, Vorkenntnissen, Konstellationen und Veränderungsgeschwindigkeiten geprägt ist, geraten solche Modelle an ihre Grenzen.

Genau hier setzt adaptives Lernen an – nicht als modisches Extra, sondern als notwendige Systemantwort auf diese Komplexität. Adaptive Lernsysteme lösen die zentrale Herausforderung heutiger Lernarchitekturen: Sie ermöglichen Individualisierung bei gleichzeitiger Skalierung. Sie verbinden Flexibilität mit Struktur – indem sie Inhalte, Formate und Lernziele dynamisch an reale Anforderungen und individuelle Entwicklungspfade anpassen.

Was es dazu braucht, ist ein Perspektivwechsel: Lernen muss sich vom starren Lehrplan lösen und konsequent auf die Entwicklung von Handlungsfähigkeit im konkreten Arbeitskontext ausrichten. Am besten lernt, wer das neue Wissen direkt braucht – wie im Handwerk, wo Fähigkeiten an einem realen Werkstück wachsen. In der betrieblichen Weiterbildung heißt das: Inhalte müssen kontextualisiert bereitgestellt werden – unterstützt durch KI, soziale Lernformen und bedarfsgerechte Begleitung.

Dr. Anja C. Wagner, die auf der kommenden Shift/HR-Konferenz dazu sprechen wird, beschreibt diesen Wandel als Paradigmenwechsel – von der lehrenden zur lernenden Organisation. Ihre These: Nur mit adaptiven, offenen Lernökosystemen gelingt es, Lernen eng an Lebensrealitäten zu koppeln – und damit zukunftsfähig zu machen.

Auch Prof. Dr. Werner Sauter bringt es in einem LinkedIn-Post  auf den Punkt: Lernen beginnt nicht bei Inhalten, sondern bei realen Herausforderungen. Der adaptive Weg besteht darin, individuelle Lernpfade entlang konkreter Aufgaben zu identifizieren, zu definieren und zu ermöglichen – begleitet durch Führungskräfte, Lernbegleiter:innen und digitale Assistenzsysteme.

Diese Perspektiven zeigen:

  • Adaptivität ist kein Feature, sondern eine notwendige Reaktion auf die strukturelle Überforderung standardisierter Lernmodelle.
  • Individuelle Passung wird zur zentralen Erfolgsbedingung für wirksames Lernen – sowohl aus Sicht der Mitarbeitenden als auch der Organisation.
  • L&D muss sich neu positionieren, um adaptive Systeme nicht nur einzuführen, sondern auch sinnvoll zu steuern und weiterzuentwickeln.

Die technologische Grundlage ist da – aber erst das strategische Verständnis macht daraus ein wirksames Konzept. Genau deshalb wird adaptives Lernen nicht nur möglich, sondern notwendig.

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Adaptives Lernen als Hebel für die transformatorische Wirksamkeit von L&D

Wer adaptives Lernen ernst nimmt, verändert mehr als Formate und Tools. Es verändert das Lernverständnis – und damit auch die Rolle von L&D in der Organisation. Denn mit der Individualisierung von Lernpfaden wachsen auch die Anforderungen an Steuerung, Datenkompetenz und strategische Kopplung.

Lernen wird zum systemrelevanten Faktor für Unternehmensentwicklung:

  • wenn Transformation gelingt, weil Lernpfade situativ anschlussfähig sind – nicht abstrakt, sondern konkret im Arbeitskontext verankert,
  • wenn Kompetenzen entstehen, weil Entwicklung nicht mehr normiert, sondern bedarfsorientiert gestaltet wird,
  • wenn Mitarbeitende erleben, dass sie nicht „nachlernen“, sondern wirklich vorankommen.

Diese Perspektive greift auch der Bitkom-Trendreport 2024 auf. Dort heißt es, dass adaptive Lernstrukturen nicht nur neue Inhalte ermöglichen, sondern „die individuelle Handlungsfähigkeit in Transformationsprozessen erhöhen“, weil sie Lernen näher an den Arbeitsalltag heranführen. Auch Anja C. Wagner betont in ihrem Beitrag „Rethinking Learning“, dass adaptives Lernen kein Selbstzweck ist – sondern eine notwendige Antwort auf die Anforderungen einer von Unsicherheit und Veränderung geprägten Gegenwart.

In dieser Logik wird adaptives Lernen zum strategischen Hebel – für skill-basiertes Arbeiten, für Veränderungsbereitschaft und für eine Lernkultur, die kontinuierliche Entwicklung nicht nur zulässt, sondern voraussetzt. Der Ansatz verbindet das Machbare mit dem Notwendigen: Technologien, die Lernprozesse dynamisieren, und ein Organisationsverständnis, das Lernen nicht mehr verwaltet, sondern verankert.

Damit verändert sich auch der Aufgabenfokus von L&D – weg vom Anbieter zentral gesteuerter Trainingsformate, hin zum Orchestrator adaptiver Lernlandschaften. Auch Prof. Dr. Werner Sauter hebt hervor, dass diese Rolle neue Fähigkeiten erfordert:

  • im didaktischen Design modularer, kontextbezogener Lernangebote,
  • im kompetenten Umgang mit Daten und Feedbacksystemen,
  • sowie in der Zusammenarbeit mit Führungskräften und Fachbereichen, die Lernprozesse aktiv mitgestalten.

Diese Entwicklung ist herausfordernd – aber sie bietet große Chancen. Lernen kann in der Organisation wieder wirksam werden. Nicht, weil alle dasselbe lernen – sondern weil jede:r das lernt, was im jeweiligen Kontext zählt.

Fazit: Lernen neu denken – weil sich Organisationen neu ausrichten müssen

Adaptives Lernen ist keine Spielart digitaler Didaktik – es ist die logische Antwort auf die zunehmende Komplexität von Arbeit, Wandel und individueller Entwicklung. Die technischen Möglichkeiten sind da. Die strukturellen Herausforderungen liegen offen. Und die Forschung liefert klare Hinweise: Wer Lernen wirksam machen will, braucht neue Konzepte – nicht nur neue Tools.

Doch genau hier beginnt die eigentliche Aufgabe: Organisationen müssen sich von alten Routinen lösen und Lernarchitekturen schaffen, die situativ, anschlussfähig und strategisch verankert sind. Nicht alles ist bereits gelöst – aber vieles gedacht. Und genau darüber wollen wir weiter diskutieren.

Am 2. Juli bei der Shift/HR Learning & Talent Development Konferenz. Mit dabei: Anja C. Wagner, Co-Founder von FROLLEINFLOW, mit ihrer Keynote „Zukunftsfitness in der KI-Zeit: Warum wir Lernformate radikal neu denken müssen“. Gemeinsam mit weiteren Expert:innen werfen wir dort einen praxisnahen Blick auf die Frage, wie sich L&D neu positionieren kann – nicht als Verwalter von Kursen, sondern als Ermöglicher von Transformation.

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