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HR neu denken - mit dem HR Operating Model for the AI Era von TI PEOPLE

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true„Künstliche Intelligenz stellt nicht nur Tools bereit – sie stellt Prinzipien infrage.“ So lässt sich die zentrale These des aktuellen Papers von Volker Jacobs zusammenfassen. In seiner Analyse zum „HR Operating Model for the AI Era“ fordert er nichts weniger als einen radikalen Umbau der HR-Funktion. Nicht, weil das Drei-Säulen-Modell organisatorisch nicht mehr funktioniert – sondern weil KI den Bezugsrahmen für Rollen, Prozesse und Wirkung fundamental verschiebt.

Jacobs zeigt: Der Druck kommt von zwei Seiten. (Siehe auch seinen LinkedIn Beitrag dazu!) Oben fordert das Business integrierte Lösungen statt Silodenken. Unten automatisiert KI immer größere Teile der operativen und sogar beratenden Tätigkeiten. Die Antwort darauf sei keine behutsame Weiterentwicklung, sondern eine konsequente Neugestaltung – mit Produktverantwortung statt Funktionslogik, mit Nutzerfokus statt Prozessdenke, mit Wirkungsmessung entlang von Experience- und Innovation-Value statt klassischer HR-KPIs.

Damit geht Jacobs deutlich über das hinaus, was in vielen Diskussionen aktuell als Weiterentwicklung des HR Operating Models gilt – auch über das hinaus, was wir in unserem eigenen Beitrag „Vom Drei-Säulen-Modell zum Netzwerk der Wirkung“ formuliert haben. Während wir dort die Plattform-Logik und das Denken in Wirkungsketten betonen, fordert Jacobs einen echten Systemwechsel – getrieben durch den technologischen Wandel und die strategische Neupositionierung von HR.

Was unterscheidet diesen Ansatz im Detail – und wo liegen Anschlussmöglichkeiten für HR-Verantwortliche, die ihre Funktion zukunftsfähig aufstellen wollen? Diese Fragen beleuchten wir im weiteren Verlauf.

Das Operating Model nach Jacobs: Produktlogik statt Prozesssteuerung

In dem Papier HR Operating Model for the AI Era entwirft Volker Jacobs auf Basis des Research der TI People ein HR Operating Model, das sich nicht länger an funktionalen Zuständigkeiten oder Prozesslogik orientiert, sondern an konkreten Nutzerbedarfen im Arbeitskontext. HR soll keine Dienstleistungen mehr verwalten, sondern Produkte entwickeln, die für Mitarbeitende und Führungskräfte unmittelbar wirksam sind.

Ausgangspunkt ist eine klare Analyse der Triebkräfte: KI automatisiert nicht nur Routinetätigkeiten, sondern verändert auch beratungsnahe, analytische und kreative Aufgabenbereiche. Gleichzeitig formuliert das Business neue Anforderungen – weg von Zuständigkeiten, hin zu Lösungen mit messbarem Beitrag zur Wertschöpfung. Jacobs positioniert HR in der Folge nicht mehr als Dienstleistungseinheit, sondern als produktverantwortliche Organisationseinheit mit end-to-end Verantwortung.

Dabei räumt das Paper mit fünf weitverbreiteten Mythen auf, die den Wandel bislang blockiert haben:

  1. Weniger Personal durch KI?
    Der Glaube, dass KI vor allem zur Reduktion von HR-Personal führt, ist laut Jacobs irreführend. Zwar entstehen Effizienzgewinne (bis zu 50 % in operativen Rollen), diese sollen aber gezielt in neue, strategischere Aufgaben umgelenkt werden – etwa in Datenanalyse, Experience Design oder Produktverantwortung.
  2. Automatisierung gleich Kostensenkung?
    KI schafft nicht nur Effizienz, sondern ermöglicht neue Leistungen – von personalisierter Karriereplanung bis zu AI-basiertem Stimmungsmonitoring. Die Wirkung entfaltet sich entlang dreier Dimensionen: Effizienz, Innovation und Demokratisierung von Services.
  3. Alle Rollen sind gleich betroffen?
    Der Einfluss von KI ist differenziert: Während transaktionale Rollen stark automatisiert werden, verändert sich in strategischen Rollen vor allem die Aufgabenlogik. HR Business Partner etwa übernehmen vermehrt die Rolle von Problemlösern über Silogrenzen hinweg.
  4. Das Drei-Säulen-Modell lässt sich weiterentwickeln?
    Jacobs sieht das klassische Modell als strukturell überfordert. Die gleichzeitigen Anforderungen aus Automatisierung (von unten) und Business Impact (von oben) zwingen zu einem Bruch mit der Säulenlogik. An ihre Stelle treten Produktteams mit klarer Ergebnisverantwortung.
  5. Ein Re-Org reicht?
    Die Umstellung auf ein produktorientiertes Modell ist keine Frage der Kästchen im Organigramm, sondern eine Veränderung von Denkweise, Steuerungslogik und Kultur. Entscheidend ist, dass Wertschöpfung nicht mehr über Prozesse, sondern über Produkte gemessen wird – mit klaren KPIs wie Experience Value oder Innovation Contribution.

Im Ergebnis entsteht ein neues Zielbild: HR organisiert sich nicht mehr entlang funktionaler Ebenen, sondern entlang von Nutzerbedarfen und Wertschöpfungslogiken. Cross-funktionale Produktteams übernehmen die Verantwortung für definierte HR-Produkte – etwa eine Talent Acquisition Platform oder ein Growth & Learning Offering.

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Abbildung: Vom Drei-Säulen-Modell zur produktorientierten HR-Struktur (Quelle TI PEOPLE)

Das Schaubild von TI PEOPLE zeigt diese Umstellung deutlich:

Aus der klassischen Pyramide mit CoE, HR Business Partner und People Services wird ein Modell, das sich an konkreten Business-Problemen orientiert und konsequent auf Wirkung ausgerichtet ist.

  • Produktmanager:innen verantworten End-to-End-Lösungen – von der Bedarfsanalyse über die Umsetzung bis zur Erfolgsmessung.
  • Problemlöser:innen agieren domänenübergreifend, kombinieren HR-Fachwissen mit Beratungskompetenz und arbeiten eng mit Business-Stakeholdern zusammen.
  • Service Manager:innen orchestrieren die KI-gestützte Bereitstellung skalierbarer und personalisierter Services – mit Fokus auf Qualität und Automatisierung.
  • AI-Systeme bilden die operative Basis und übernehmen zunehmend transaktionale Aufgaben – sie werden nicht ergänzt, sondern aktiv integriert.
  • Der Fokus verschiebt sich: von Struktur zu Problem, von Service zu Impact, von Zuständigkeit zu Verantwortung.

In der neuen Logik stehen Business-Probleme am Anfang – und Business Impact am Ende. HR wird zur Gestaltungsfunktion, die Wirkung nicht mehr ableitet, sondern erzeugt. Die Umsetzung gelingt nur, wenn Struktur, Rollenverständnis, Kompetenzprofile und Technologie gleichermaßen neu gedacht werden.

Das “HR Operating Model for the AI Era” als radikaler Bruch mit bisherigen HR-Strukturen

In der aktuellen Debatte um die Zukunft der HR-Organisation zeichnen sich zwei grundsätzliche Entwicklungslinien ab. Viele Unternehmen versuchen, das bestehende Drei-Säulen-Modell weiterzuentwickeln – durch Plattformstrukturen, flexiblere Rollenzuschnitte und eine stärkere Fokussierung auf Wirkung statt Zuständigkeit. Auch wir haben in dem Beitrag „Vom Drei-Säulen-Modell zum Netzwerk der Wirkung“ im letzten Jahr eine weiterführende Neuausrichtung diskutiert: eine HR-Architektur, die auf Zusammenarbeit über klassische Rollen hinweg setzt und Wirkung entlang strategischer, operativer und transaktionaler Ebenen systematisch verankert.

Volker Jacobs schlägt einen anderen Weg ein. Er argumentiert nicht für eine evolutionäre Weiterentwicklung, sondern für einen grundlegenden Systemwechsel. Sein Modell stellt die zentrale Steuerungslogik der HR-Funktion infrage – und ersetzt sie durch ein produktorientiertes Operating Model, das von Business-Problemen ausgeht, durch KI ermöglicht wird und auf multidimensionale Wertschöpfung ausgerichtet ist.

Die zentralen Unterschiede im Vergleich:

PerspektiveNetzwerk-orientiertes HR ModellJacobs’ Produktlogik
StrukturprinzipWirkungsebenen in vernetzter LogikProduktverantwortung & Problemfokus
RollenverständnisWeiterentwicklung bestehender Rollen (BP, CoE etc.)Neue Rollen: Product Manager, Problem Solver, Service Manager
SteuerungWirkungssteuerung über PlattformlogikSteuerung über Produkt-Wertdimensionen (Efficiency, Experience, Strategic, Innovation)
TechnologieeinsatzEnablement durch TechnologieKI als integraler Bestandteil der Servicebereitstellung
Organisatorische VeränderungEvolution im bestehenden RahmenFunktionaler Umbau mit strukturellem Bruch

Beide Modelle teilen die Überzeugung, dass HR künftig wertorientiert, nutzerzentriert und dynamisch arbeiten muss. Doch während das eine Modell von innen heraus anschlussfähig bleiben will, fordert das andere einen klaren Bruch: HR als Produktorganisation, verankert im Business, getragen von neuen Rollen, gesteuert durch Wirkung.

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Von der Idee zur Umsetzung: Was HR aus dem "HR Operating Model for the AI Era" ableiten kann

Das Modell von Volker Jacobs wirkt auf den ersten Blick wie ein Konzept für Großunternehmen mit eigener Digitalstrategie. Doch viele der vorgestellten Prinzipien lassen sich auch in kleineren HR-Teams umsetzen – vorausgesetzt, man denkt nicht in Organigrammen, sondern in konkreten Problemen, Nutzerbedarfen und Verantwortlichkeiten.

Wer KI in der HR-Arbeit nutzen will, muss mehr verändern als Tools. Es reicht nicht, Prozesse zu digitalisieren. Die zentrale Frage lautet: Wer übernimmt Verantwortung für den konkreten Nutzen von HR-Angeboten – für Bewerbende, Mitarbeitende oder Führungskräfte? Damit wird klar: Die Veränderung ist nicht nur technisch, sondern organisatorisch und kulturell. Sie betrifft Strukturen, Entscheidungswege und Selbstverständnis.

Produktdenken lässt sich pragmatisch umsetzen. Auch in kleinen Teams kann ein klar definiertes Produktverständnis helfen, Wirkung zu erzielen:

  • Ein Recruiting-Verantwortlicher wird zur „Ownerin“ einer Talent Acquisition Journey – mit dem Ziel, Time-to-Hire und Candidate Experience spürbar zu verbessern.
  • Eine Person im Learning-Bereich kümmert sich gezielt um Skills-Aufbau und messbare Lernwirksamkeit – nicht nur um Inhalte und Tools.

Gleichzeitig bleiben wichtige Fragen offen:

  • Was bedeutet Produktverantwortung für die Steuerung im Alltag? Wer priorisiert? Wer misst Wirkung?
  • Lässt sich dieses Modell im Mittelstand überhaupt abbilden – mit weniger Rollen, weniger Ressourcen, aber ähnlichem Druck?

Diese Fragen zeigen: Jacobs liefert kein fertiges Rezept, sondern ein neues Betriebssystem für HR. Es liegt an jeder Organisation, eigene Antworten zu finden – entlang der Frage: Wie schaffen wir als HR-Team echten Mehrwert für die Menschen im Unternehmen?

Fazit: Ein neues Betriebssystem für HR?

Das HR Operating Model von Volker Jacobs und den TI PEOPLE ist kein Feinschliff – es ist ein Umbau. Es fordert uns heraus, HR nicht länger als Dienstleister oder Strukturfrage zu begreifen, sondern als Gestaltungsaufgabe mit Produktverantwortung und Wirkungspflicht. KI ist dabei nicht nur Anlass, sondern Beschleuniger: Sie verändert Aufgaben, Erwartungen und Möglichkeiten – und macht deutlich, wo klassische Modelle an ihre Grenzen stoßen.

Für viele HR-Teams bedeutet das nicht, morgen alles umzustellen. Aber es bedeutet, heute damit anzufangen, Verantwortung neu zu denken: für Nutzererlebnisse, für Wertbeiträge, für Lösungen. Das Modell von Jacobs liefert dafür starke Impulse – und konkrete Orientierungspunkte, wie HR sichtbarer, schneller und wirksamer werden kann.

👉 Leseempfehlung: Das vollständige Research-Paper „HR Operating Model for the AI Era“ von Volker Jacobs und TI PEOPLE bietet einen tiefen Einblick in diese Logik – mit vielen Daten, Praxisbeispielen und Handlungsempfehlungen. Es lohnt sich.

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