Sabine Kluge: Working Out Loud (#wol) ist die Basis der lernenden Organisation - und unterstützt damit das Talent Management! #tmforum

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Mit Sabine Kluge (Kluge Consulting) [Twitter: @netzabine] haben wir eine weitere spannende Expertin bei unserer Interview-Reihe auf dem Weg zum Talent Management FORUM. Sie bezeichnet sich selbst als Chief Relationship Enablerin und hat vor kurzem erst den hr-maker.space initiiert, was eine Aktivität der Kluge Consulting ist, die sie zusammen mit ihrem Mann betreibt. Davor war sie lange Zeit bei Siemens in der Corporate HR Abteilung, wo sie Trainingsprogramme für Kollegen weltweit konzipierte, umsetzte und verantwortete. Im Rahmen des Talent Management FORUMs gibt sie dem Thema "Working Out Loud" (kurz WOL) als eine der ersten "Licensed Working Out Loud Partner" eine Stimme - mit einem kurzen Vortrag zum Gegenstand von #WOL und einem "Erlebnis"-Workshop. Im Vorfeld zur Veranstaltung haben wir sie befragt - in welchem Zusammenhang "Working Out Loud" zum Thema "Talent Management" steht. Dabei sind spannende Antworten herausgekommen. Sabine Kluge

1) Sabine - Du bist als Expertin zum Thema Working Out Loud beim TMF dabei. In welchen Zusammenhang steht für Dich das Thema Talent Management und WOL?

Sabine Kluge: Talentmanagement fokussiert ja in erster Linie auf den passenden Fit von Köpfen auf die Herausforderungen des eigenen Unternehmens. Nun beobachte ich, dass Unternehmen in dieser Hinsicht das Gewicht nach wie vor stark auf die fachliche Passung legen, dazu kommen einige gesellschaftstauglichen, erwünschten Kompetenzen wie Teamfähigkeit und Engagement, über die wir in der Regel nur eine vage Vorstellung haben, wie sich die eigentlich äußern und welche Relevanz sie wirklich für die unternehmerische Wirksamkeit haben. Ich halte diese Perspektive für sehr einseitig und finde es mindestens genauso relevant, vielleicht sogar relevanter, welche abweichenden und damit komplementären Problemlösungsstrategien ein Kandidat mitbringt. Also eben nicht „passt dieser Kandidat fachlich und vom Typ her harmonisch in das im Unternehmen vorherrschende Muster?“ (wird oft mit Teamfähigkeit verwechselt!), sondern „bringt er eine Facette mit, die wir noch nicht haben, und die uns aber bereichert.“ Und da kommt Working Out Loud ins Spiel: Als Haltung, weil Menschen, die „Out loud arbeiten“ praktisch intrinsisch bereit sind, entgegen dem karrierefördernden Ego-Mainstream, aus ihren funktionalen, fachlichen oder hierarchischen Silos heraus ihr Wissen zu teilen um miteinander am gemeinsamen Erfolg mitzuwirken. Und als Methode, weil Menschen, denen die offene Kollaboration noch nicht so vertraut ist, mit dem 12 Wochen Programm von John Stepper Schritt für Schritt lernen, im Rahmen ihrer Peer Coaching Gruppe, die das Programm mit sich bringt, auf sicherem und gleichzeitig unkritischem Terrain andere Problemlösungsstrategien kennen- und schätzen zu lernen. Die Gruppen formieren sich ja nicht nur nach Sympathie und Interessen, sondern werden idealerweise maximal divers gestafft. Um den Kreis zum Talentmanagement zu schließen: Die Fähigkeit, gemeinsam in maximal diversen Zusammensetzungen das Beste aus allen Problemlösungsstrategien für das gemeinsame Ziel herauszuholen, wird durch Working Out Loud gefördert – und stärkt damit die Haltung, auf das gemeinsame Ganze zu fokussieren, auch und gerade im Bewusstsein und in der Wertschätzung andersartiger Problemlösungsstrategien. Und ich halte das für eine der wichtigsten organisationalen Fähigkeiten, um gute unternehmerische Entscheidungen in einer komplexen Welt zu treffen.

2) WOL definierst Du damit als Instrument für ein Talent Management Ansatz in einer VUCA-Welt? Es braucht aber auch eine straffe Organisation (Gruppen-Besetzung, Coaching-Prozess) damit am Ende wirklich das herauskommt, was Du so schön beschrieben hast: eine Haltung und Wertschätzung eine kooperativen Problemlösungsverhalten - oder?

Sabine Kluge: In deiner Frage bezeichnest Du WOL als Instrument; ich möchte das gern etwas schärfen: Es handelt sich ja um ein Set von Instrumenten, die durch Anwendung und damit kontinuierliche Weiterentwicklung eine Haltung prägen. Diese Instrumente sind übrigens nicht neu erfunden, sondern bewährt aus dem systemischen Coaching, nur dass hier eben nicht ein Coach von außen coacht, sondern die Kollegen in ihrer Gruppe gegenseitig lernen, mit diesem Handwerkszeug so umzugehen, dass sie sich dabei selbstgesteuert weiterentwickeln können. Und ja, dann ist gelebtes Working Out Loud, also die Haltung, ein stark kulturprägendes Element, nämlich eine Basis der lernenden Organisation, die ja vor allem auf die Selbststeuerung von Mitarbeitern setzt, und fördert gleichzeitig die Kompetenzen, die es braucht, den komplexen unternehmerischen Herausforderungen einer VUCA Welt zu begegnen. Der Weg zu dieser Haltung beginnt für einige – für die, die nicht bereits mit einer offenen kollaborativen Haltung geboren sind, sich diese aber aneignen wollen (Freiwilligkeit als oberstes Gebot! Jede Top-Down wird dieses Thema zerstören) - mit dem Programm, das ja eigentlich für Individuen gedacht war und jetzt für einige Usecases auch im Bereich von Recruiting und HR Beachtung findet. Ins Unternehmen übertragen macht es dann auch Sinn, die Gruppen durch den nicht ganz trivialen Staffing-Prozess zu begleiten, sprich, den Freiwilligen zu helfen, Mitstreiter, ihre Peer Coaches zu finden. Und um noch einmal ganz konkret auf das Thema Talentmanagement zu referenzieren: Einer der Usecases ist übrigens das Onboarding, sprich, neue Mitarbeiter werden bereits mit ihrem ersten Tag im Unternehmen eingeladen, sich – durch den unterstützenden Staffing Prozess – mit erfahrenen Mitarbeitern des Unternehmens zu vernetzen (sprich: Einen WOL Circle zu bilden), und lernen so praktisch en passant das Unternehmen und wichtige Ansprechpartner und Unternehmensfunktionen kennen. Und gleichfalls wird in so einer Gruppe eben en passant die bereits oben beschriebene Offenheit für abweichende Problemlösungsstrategien als Zusammenarbeitskultur vorgelebt und den Neuen vermittelt.

3) Aber noch einmal nachgehakt - ein wichtiger Erfolgsfaktor dieser Maßnahmen ist dann doch die strikte Organisation - oder nicht? Sprich der Staffing-Prozess, die Circle-Einheiten und der Ablauf.

Sabine Kluge: Nein, definitiv sind diese Maßnahmen nicht entscheidend für den individuellen Erfolg. Aber wenn man es als Unternehmen den Mitarbeitern einfach(er) machen will, WOL im Arbeitsumfeld kennenzulernen und für sich zu nutzen, dann helfen diese Maßnahmen, denn im Arbeitsalltag sind die Prioritäten in der Regel erst einmal nicht auf selbstverantwortliches, zeitlich und räumlich selbst organisiertes Lernen ausgelegt. Bei nicht wenigen Führungskräften gibt es zunächst einen deutlichen Widerstand seitens der Führungskräfte, die diese Art der Selbstverantwortung ihrer Mitarbeiter nicht kennen, die Kontrollverlust fürchten. „Was der Mitarbeiter lernt, wohin er sich entwickelt, und womit er in meinem Team seine Zeit verbringt, das entscheide immer noch ich.“ Hier helfen ein paar institutionalisierte, organisatorische Eckpfeiler einfach, den Einstieg und die Umsetzung zu erleichtern. Und egal, ob die Kollegen dann final WOLlen oder es dabei belassen: Die Ausweitung ihres Freiraums, inhaltlich und auch physisch und zeitlich – bleibt eine prägende Erfahrung, die eben auch für die Entwicklung hin zu einer lernenden Organisation notwendig ist. Denn in dieser überblicken Führungskräfte den Lernbedarf ihrer Mitarbeiter längst nicht mehr und können schon daher keine sinnvolle Kontrolle mehr über deren fachliche und persönliche Entwicklung ausüben.

4) Um nochmals zurück zum Talent Management zu kommen ... habe ich es richtig verstanden, dass Du auch unterstreichen würdest, dass die Zielsetzung von TM für die Unternehmen heute in der Förderung von Vielfalt und Diversität liegen muss?

Sabine Kluge: Ja, unbedingt! Eine grosse Herausfoderung - Stichwort Unconscious Bias. Und gleichzeitig zentrales Erfolgrezept aus meiner Sicht - aber nur wenn die Mitarbeiter sich dann in ihren Eigenheiten gewertschätzt fühlen und sich entfalten können. Das erfordert maximales Einfühlungsvermögen von Führungskräften. Also die viel beschworene Coaching Kompetenz, jeden nach seiner Fasson wachsen zu lassen.

5) Ist Talent Coaching - ob durch Coach oder im P2P-Ansatz a la WOL - das neue Schwarz für das Talent Management?

Sabine Kluge: Ich bin nicht sicher, ob es das neue Schwarz ist, weil das Talent Coaching zumindest in einigen der Unternehmen, in denen ich als Reisebegleiter mitgestalten darf, schon lang ein fester Bestandteil der Persönlichkeitsentwicklung ist. Aber es ist aus meiner Sicht bei der Fragestellung rund um nachhaltiges Talentmanagement ausgesprochen wirkungsvoll und bedeutsam um Menschen dabei zu unterstützen, ihren Platz im Unternehmen zu finden. Und der beste Platz in diesem Sinne ist immer jener Platz, an dem sie ihre Talente am besten enfalten und einbringen können. Beispiel: In einem unserer Potentialentwicklungsprogramme bei einem hidden Champion irgendwo in Deutschland begleiten wir jährlich 36 von ihren Führungskräften nominierte, junge Kollegen etwa ein Jahr lang gleichzeitig mit gruppenübergreifenden Verhaltens-Modulen, einem gruppenübergreifenden Projekt und mit individuellem Coaching – übrigens letzteres auch per Videokonferenz, was ganz hervorragend funktioniert. Und es ist schon berührend und beeindruckend, aus der gemeinsamen Reflexion heraus die Entwicklung mitzuerleben, die die Kollegen nehmen, und – um die Brücke zum Talentmanagement zu schlagen – auch eine sehr ernste und wichtige Auseinandersetzung mit der Frage, wo genau der eigene Platz im Unternehmen ist. Diese enge Begleitung ist aufwändig, der Erfolg zeigt aber, dass sie notwendig ist, um nicht nur die richtigen Köpfe an Bord zu holen, sondern um auch auf Sicht sicherzustellen, dass sie mit ihren Talenten ihre volle Wirkung im Unternehmen entfalten.

6) Welche weiteren innovativen Ansätze siehst Du für eine Neuausrichtung im Talent Management?

Sabine Kluge: Zwei Punkte fallen mir dazu ein. Erstens: Davon ausgehend, dass wir in traditionellen Unternehmenskulturen auch in der Zukunft eine wie immer geartete Form von Führungsstrukturen haben werden, ist es für viele Unternehmen sicher immer noch innovativ, die Personalentwicklungs-Kompetenz zunehmend und ganz systematisch in der Führungsverantwortung zu verankern und damit Führungskräfte in die Lage zu versetzen, wirklich zu führen und nicht nur über messbare Ziele und Aufgaben zu verwalten. Voraussetzung: Coaching Haltung. Sprich, mit dem gebotenen Respekt einem Mitarbeiter gegenüber nicht (mehr) über dessen Entwicklung zu „urteilen“, sondern ganz ohne eigene Wertung in den Dialog zu gehen. Aus: „Ich weiß, lieber Mitarbeiter, was gut für Dich ist.“ wird: „Ich traue Dir zu, lieber Mitarbeiter, dass Du das selbst am besten weißt – und ich fördere Dich in Deinem Weg.“ Und das ist dann zweitens genau der entscheidende Zeitpunkt, wo im Unternehmen aus der „Human Ressource“ oder dem „Kopf“ wieder ein ganzer, ein mündiger Mensch wird. Diese Perspektive wird nämlich nicht selten nur den 5% „Besten“ (= fleißigsten, durchsetzungsstärksten, klügsten) zuteil. Doch nur, wenn auch die restlichen 95% der Belegschaft diese verdiente, zwischenmenschliche und eigentlich selbstverständliche Zuwendung erhalten, werden die „Besten“ an Bord bleiben. Und die „Besten“ sind, vielleicht ist das dann Punkt drei, weder die klügsten noch die fleißigsten, sondern die, bei denen wir es geschafft habe, sie genau auf „ihren“ Platz zu entwickeln, und die daher mit Leidenschaft, Herzblut und einer großen Erfüllung ihre Aufgabe machen. Es sind im Regelfall jene, die ganz einfach gesagt, für das Unternehmen das Geld verdienen.

7) Mit welchen Erwartungen kommst Du zum Talent Management FORUM?

Sabine Kluge: Ich freue mich auf die Begegnung mit so unkonventionellen Vordenkerinnen wie Ursula Schütze-Kreilkamp, die so eine ganz andere, fast schon poetische Sprache hat für die Themen, die uns im Zusammenhang mit den Menschen im Unternehmen beschäftigt.
Wir bedanken uns für die tollen Antworten.Treffen Sie Sabine Kluge beim Talent Management FORUM - und sichern Sie sich noch heute Ihre Teilnahme!

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