Die Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz (KI) auf die Prozesse und Abläufe in den Unternehmen lässt auch den HR-Bereich nicht außen vor. Die sich rasant entwickelnden Möglichkeiten der Generativen KI - z.B. im Bereich der multimodalen Inhalteanalyse und -generierung - ergeben spannende Veränderungen und sowohl Chancen als auch Herausforderungen für die HR Prozesse. Auch für das aktuelle Thema des "Employee Experience Managements" - wie wir es beim Shift/HR Employee Experience SUMMIT am 18. & 19.10. diskutieren - sind einige neue Impulse durch den Einsatz von Large Language Modellen und Machine Learning zu erwarten, mit denen wir uns in diesem Beitrag beschäftigen.
Dabei werfen wir einen Blick auf die verschiedenen Aspekte dieses Themas und die potenziellen Hebel und Ansatzpunkte für den Einsatz von KI bei der Verbesserung der Employee Experience und des Employee Journey & Employee Experience Managements.
Verständnis der Künstlichen Intelligenz
Die künstliche Intelligenz schwebt als großes Schlagwort in allerlei Diskussionen umher. Dabei gibt es bisher keine eindeutige Definition von künstlicher Intelligenz - nur soweit, dass es sich dabei um intelligente Systeme bzw. Maschinen handelt, die menschenähnlich wahrnehmen, lernen und handeln können. Verschiedene Klassifikationen unterscheiden die Ansätze dabei nach der Stärke bzw. Schwäche der selbstreflektierten Handlungen und Erkenntniszuwächse (Weak AI versus Strong AI), nach der Stärke bzw. Schwäche der Selbstwahrnehmung (versus reiner Reaktivität) oder nach Arten der Wahrnehmungs- und Verarbeitungsmöglichkeiten der Systeme.
Ein zentrales Fähigkeitsfeld der KI ist dabei das maschinelle Lernen. Maschinelles Lernen bezieht sich auf die Fähigkeit von Maschinen, aus Erfahrungen zu lernen und sich selbst zu verbessern, ohne explizit programmiert zu werden. Dies ermöglicht es KI-Systemen, sich an neue Situationen anzupassen und bessere Entscheidungen zu treffen.
Es gibt verschiedene Arten von maschinellem Lernen, darunter überwachtes Lernen, unüberwachtes Lernen und verstärkendes Lernen. Beim überwachten Lernen werden Maschinen mit gelabelten Daten trainiert, um Muster und Zusammenhänge zu erkennen. Beim unüberwachten Lernen analysieren Maschinen ungelabelte Daten, um Muster und Strukturen zu identifizieren. Beim verstärkenden Lernen interagieren Maschinen mit ihrer Umgebung und lernen durch Belohnungen und "Bestrafungen" (bzw. Abwertungen).
Wenn wir aktuell über die neuen Möglichkeiten der KI sprechen, dann wird dabei landläufig über die Fähigkeiten von ChatGPT & Co - sprich den neuen generativen KI-Ansätzen - gesprochen. Das Sprachmodell hinter ChatGPT basiert dabei auf einem Transformer-Modell, was sich in die Kategorie der verstärkenden Lernmodell einordnen lässt. Mit ChatGPT hat das Modell zudem eine konversationale Schnittstelle für die Mensch-Maschine-Interaktion. Dem "Large Language Model" (Sprachmodell) hinter ChatGPT wird dabei eine stärkere Intelligenz, ein Erinnerungsmöglichkeit (innerhalb eines Chat-Dialoges/Kontextes) sowie ein sich selbst verstärkendes Lernmodell zugeschrieben.
Insgesamt ist festzuhalten, dass wir uns bei der Entwicklung der Fähigkeiten der künstlichen Intelligenz langsam in einem fortgeschrittenden Stadium befinden, wo neue Fähigkeiten mit der Hilfe der KI schneller realisiert werden als zuvor. Wir sind nun in einem Stadium der exponentiellen Entwicklung, die sich auch gerne mit der Reiskornlegende beschreiben lässt, wo wir uns zunehmend in der zweiten Hälfte des Schachbrettes befinden.
Insbesondere die neuen generativen Modelle (teils auf unüberwachten (wie z.B. die GAN-Modelle der Bildgenerierung) bzw. auf verstärkenden Transformer-Modellen (wie bei GPT) basierend) bringen eine neue "Musik" in das aktuelle Spiel, weil sie in vielen alltäglichen Prozesstätigkeitsfeldern (wie Informationen & Texte analysieren und darauf aufbauend Antworten und neue Inhalte generieren) ihre Anwendungsfelder haben. Damit können alltägliche Routinetätigkeiten durch Vorschläge und Input unterstützt bis gar automatisiert werden.
Die Grenzen liegen dabei vor allem in der "Selbstüberschätzung" der Modelle, die letztlich vor allem mathematisch hergeleitete Verwandtschaften von Inhalten ausmachen und nutzen können, aber im Falle der Large Language Modelle keine Wissensmodelle darstellen. Daher liefern sie immer Ergebnisinhalte, die den "Alan Turing Test" bestehen können und von uns Menschen als kohärenter Text wahrgenommen werden. Die Validität der Information können sie nicht gewährleisten, weshalb an dieser Stelle auch immer wieder die Kritik der halluzinierenden Systeme aufkommt.
KI und die Employee Experience
Auch für das Thema der Employee Experience gibt es wenig klare Definitionen und Abgrenzungen. Im Kern geht es um die Optimierung der Erfahrungen und Zufriedenheit der Mitarbeitenden mit dem Ziel eines höheren Involvements und Engagement der Menschen. Denn das Engagement ist ein klarer Hebel für die Performance - sei es in Richtung der Kunden (sprich der Customer Experience) oder nur in Hinblick auf die Prozesseffizienz. Positive für das Unternehmen eingestellte, motivierte und engagierte Mitarbeitende sind natürlich deutlich wirksamer.
Beim Employee Experience Management - sprich der aktiven Analyse, des Designs, der Optimierung und der Orchestrierung aller wichtigen Momente für die Mitarbeitenden (sprich den "Moments that Matter") - gibt es verschiedene Themen- und Handlungsfelder, die sich ähnlich auch im Customer Experience Management finden lassen:
Employee Journey Mapping & Analyse: Dieser Bereich befasst sich mit der Auseinandersetzung der Mitarbeiterreise und den "Moments that Matter" der Mitarbeitenden im Unternehmen. Dies umfasst das Identifizieren aller Berührungspunkte und Interaktionen, die Mitarbeiter während ihrer Beschäftigung haben, und die Analyse, um Schwachstellen und Verbesserungspotenziale zu erkennen.
Employee Feedback & Employee Engagement Management: Hier geht es um die Erfassung, die Auswertung wie auch die Reaktion von und auf Mitarbeiterfeedback. Das Ziel ist es individuelle wie auch generelle Mißstände zu erfassen und zu beheben. Dies schließt die Förderung des Mitarbeiterengagements ein, indem auf Anliegen und Bedürfnisse reagiert wird.
People Analytics als tiefergehende Problem- und Optimierungsanalyse: Die Nutzung von People Analytics ermöglicht es, tiefergehende Analysen und Prognosen zu den Zusammenhängen zwischen Zuständen, Prozess- und Organisationsergebnissen und Gegebenheiten der Organisation und der gesammelten Erfahrungen der Mitarbeitenden im Arbeitsalltag und Prozess durchzuführen. Das Ziel dahinter ist die Erklärung von Zusammenhängen wie auch die Vorhersage von Entwicklungen und Empfehlungen von Maßnahmen. Dies erlaubt Unternehmen, spezifische Probleme zu identifizieren und gezielte Optimierungsmaßnahmen umzusetzen.
Employee Journey Design: Dieser Bereich beinhaltet die Gestaltung und Verbesserung der verschiedenen Phasen der Mitarbeiterreise, um sicherzustellen, dass sie nahtlos, sinnvoll und bereichernd sind. Dabei geht es sowohl um Momente der Administration als auch um die Unterstützung der Mitarbeitenden in der alltäglichen Prozessarbeit. Mit der Optimierung der Employee Journey soll eine möglichst hohe Zufriedenheit erzielt und damit direkt auf das Engagement eingewirkt werden. Das Design und die Umsetzung wirkt stark in die Organisationsentwicklung und den Prozessablauf ein. Natürlich gilt es für die HR-Funktion dabei erstmal "vor der eigenen Tür" - sprich entlang der administrativen HR-Prozesse anzufangen - und hier eine optimale Unterstützung im Rahmen der Mitarbeiterbeziehung zu realisieren. Vom Recruiting-Prozess und dem Onboarding, über die klassischen HR-Prozesse der Mitarbeitendenentwicklung oder den Urlaubsantragsprozessen bis zum Offboarding.
Partizipations- & Engagement-Management entlang der Unternehmenskultur und Diversitäts- und Inklusionsbemühungen: Partizipation, Vielfalt und eine positive Unternehmenskultur stehen in einer sich verstärkenden Wechselbeziehung: Mehr Vielfalt schafft mehr Anknüpfungspunkte für Engagement, mehr Partizipation schafft Austausch und Verständnis für die Wertigkeit der Verschiedenheit von Menschen, eine positive Unternehmenskultur bietet Raum für Partizipation, Vielfalt und Partizipation sind wichtige Elemente einer positiven Unternehmenskultur. Im Rahmen des Employee Experience Management braucht es daher ein besonderes Augenmerk auf die Schaffung von Mechanismen und Programmen, um die Partizipation und das Engagement aller Mitarbeiter zu fördern, unabhängig von Hintergrund oder Identität.
Führungsentwicklung entlang von Employee Experience KPIs: Dieser Aspekt konzentriert sich auf die Schulung und Entwicklung von Führungskräften, damit sie die Employee Experience effektiv gestalten und entlang dieser auch Verantwortung übernehmen können. Die Verwendung von Employee Experience Key Performance Indicators (KPIs) dient als Leitfaden für die Führungskräfte, um ihre Entscheidungen und Handlungen zu steuern.
Künstliche Intelligenz (KI) bietet Unternehmen nicht nur Möglichkeiten zur Verbesserung ihrer Geschäftsprozesse, sondern auch zur Unterstützung und Optimierung beim Employee Experience Management. Grundsätzlich sind bei der Unterstützung durch die KI im Geschäftsprozess immer drei Stufen zu unterscheiden:
KI-Einsatz als Informationsverarbeitungssupport
- Unterstützung der menschlichen Tätigkeiten auf Anfrage - z.B. bei Datenanalyse, Informationssuche, Spracherkennung
- Unterstützung bei der Informationsaufbereitung für die menschliche Entscheidungsfindung
- Beispiele: Sentimentanalysen in Mitarbeiterfeedback, Trendanalysen in Mitarbeitendendaten
KI-Einsatz als "Augmentation" des Menschen im Prozess
- Erweitert menschliche Fähigkeiten direkt
- Vorschläge für Aktionen oder teilweise Ausführung
- Beispiele: Diagnostische KI im Recruiting, intelligente Assistenzsysteme in HR Prozessen
KI-Einsatz zur Automatisierung der Prozesse
- Vollständig durch Systeme durchgeführte Automatisierung komplexer Prozesse
- Minimal oder keine menschliche Intervention
- Beispiele: Chatbots & Conversational AI als Dialogschnittstellen in HR Prozessen und HR Case Management, automatisierte Onboarding-Abläufe
Trotz der potenziellen Vorteile ergeben sich jedoch Herausforderungen bei der Integration von KI in die Employee Experience. Datenschutz ist ein wichtiger Aspekt, der berücksichtigt werden muss, um sicherzustellen, dass Mitarbeiterdaten angemessen geschützt und verwendet werden. Unternehmen müssen sicherstellen, dass sie die geltenden Datenschutzbestimmungen einhalten und transparent mit den Mitarbeitern kommunizieren, wie ihre Daten verwendet werden.
Darüber hinaus müssen ethische Fragen im Zusammenhang mit der Verwendung von KI in der Arbeitswelt sorgfältig bedacht werden. Es ist wichtig sicherzustellen, dass KI-Systeme fair und transparent arbeiten und keine Diskriminierung oder Benachteiligung von Mitarbeitern verursachen. Die Entwicklung und Implementierung von KI-Systemen sollte daher von einem interdisziplinären Team erfolgen, das nicht nur technische, sondern auch ethische Expertise mitbringt.
Fazit: Die Zukunft der Employee Experience mit KI
Die Auswirkungen von KI auf die Employee Experience sind vielfältig und komplex. Auf der einen Seite bietet KI die Möglichkeit, die Arbeitswelt zu transformieren und die Employee Experience durch Automatisierung und Personalisierung zu verbessern. Auf der anderen Seite stellen sich eine Reihe von Herausforderungen hinsichtlich Datenschutz und ethischen Fragen, die sorgfältig angegangen werden müssen.
Trotz der potenziellen Stolpersteine und Herausforderungen bietet KI enorme Möglichkeiten und Potenziale für die Zukunft der Employee Experience. Mit einem integrativen und ethischen Ansatz können Unternehmen die Vorteile von KI nutzen und gleichzeitig sicherstellen, dass die Employee Experience positiv und unterstützend bleibt.
Abschließend lässt sich festhalten, dass die Entwicklungen der KI auch für das Thema Employee Experience spannende Umbrüche mit sich bringen und es hier durchaus weiterer Diskussionen bedarf, die auch wie im Rahmen weiterer Veranstaltungen der Shift/HR unterstützen wollen. Mit dem Employee Experience SUMMIT 2023 bieten wir hierzu eine erste Austauschrunde - u.a. entlang der Keynote von Theresa Fesinstine von peoplepower.ai. Hier geht es zum Programm!