Employee Listening: Warum Unternehmen ihrer Belegschaft zuhören sollten

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Im Marketing beziehungsweise der Öffentlichkeitsarbeit gibt es eine eiserne Regel, die lautet: Tue Gutes und sprich darüber! Auf das Verhältnis von Arbeitgebern zu ihren Beschäftigten angewandt passt dieser Satz in leicht abgewandelter Form: Tue Gutes und man wird darüber sprechen! Folglich sollten für Arbeitgeber und Führungskräfte aller Ebenen Bemühungen um ein positives Verhältnis zur Belegschaft selbstverpflichtend sein. Denn: Wenn Beschäftigte ihren Hut nehmen, verlassen sie nie das Unternehmen. Sie verlassen immer ihre Vorgesetzten! 

Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist es wichtig, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ans Unternehmen zu binden. Um das zu erreichen, wird eine als positiv wahrgenommene Employee Experience mittlerweile als wesentliche Voraussetzung gesehen. Employee Experience ist die Summe der persönlichen Erfahrungen und Eindrücke, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Laufe ihrer Beschäftigungsdauer – von der Einstellung bis zum Firmenaustritt – jeden Tag mit dem Unternehmen machen. 

Employee Experience in Analogie zur Customer Experience

Die Employee Experience lässt sich analog mit der Customer Experience vergleichen, also den Erfahrungen, die Kunden mit einem Unternehmen machen. Hier gibt es verschiedene Touchpoints, an denen Unternehmen und Kunde miteinander in Kontakt kommen. Genauso verhält es sich bei der Employee Experience. Nur kommen hier Arbeitgeber und Beschäftigte in Kontakt. Diese Kontaktpunkte gilt es im Sinne einer als positiv erlebten Employee Experience ebenso positiv zu gestalten. 

Interessant dabei zu beobachten ist, dass Firmen mit Goodies wie dem Bio-Obstkorb oder dem Gratis-Mineralwasser oder -Kaffee immer weniger punkten können. Solche Annehmlichkeiten sind heutzutage nahezu Standard. Außerdem: Was bringen Bio-Obst oder guter Kaffee, wenn es an viel Wichtigerem mangelt? Zum Beispiel an einer klar erkennbaren strategischen Stoßrichtung des Unternehmens, auf Neudeutsch auch Purpose genannt, die von der Führungsebene vorgelebt und an die Beschäftigten weitergegeben wird. 

Mit strategischer Stoßrichtung ist keine vollmundig verkündete, anvisierte Umsatzsteigerung in Form prozentualer oder absoluter Zahlen gemeint. Eine pauschale Aussage wie „Wir wollen den Umsatz in diesem Jahr um 20 Prozent steigern“ dürfte die wenigsten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer motivieren. Viel entscheidender sind das Herausarbeiten eines Unternehmenskerns und dessen Transport in die Belegschaft hinein: Für welche Werte steht das Unternehmen? Was ergibt für uns Sinn und warum? 

Können Unternehmen diese Fragen beantworten und die Antworten in konkrete Strategien umsetzen, ist der Nährboden für eine Identifikation der Beschäftigten mit dem Unternehmen bereitet. Fehlt diese Identifikation, beginnt die Bindung ans Unternehmen zu bröckeln. 

Employee Listening an den Touchpoints im Job

Aber wie können Unternehmen herausfinden, ob diese Bindung nachlässt oder möglicherweise schon längst nicht mehr existiert? Die Antwort lautet: Zuhören. Was im privaten Bereich als wesentlich für eine respektvolle und wertschätzende Kommunikation und letztlich als stabilisierender Faktor für eine zwischenmenschliche Beziehung angesehen wird, gilt gleichermaßen auch für Unternehmen. Durch Zuhören, auf Neudeutsch Employee Listening, können Arbeitgeber wertvolles Wissen über die Erfahrungen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem Unternehmen gewinnen. Das Mittel dazu sind Mitarbeiterbefragungen. 

Nun geht es beim Employee Listening nicht um die klassische Mitarbeiterbefragung, die ein Mal im Jahr stattfindet und mit viel Aufwand erstellt werden muss. Es geht auch nicht darum, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern regelmäßig und einseitig irgendwelche Fragebögen vorzulegen. Beim Employee Listening bekommen Beschäftigte die Möglichkeit, an unterschiedlichen Berührungspunkten (Touchpoints), auf die sie auf ihrem Weg durch ihr Beschäftigungsverhältnis stoßen, Feedback abzugeben. Das fängt beim Onboarding an, geht über das Feedback zu Feedback-Gesprächen an sich und endet beim Austritt aus der Firma. Weitere mögliche Berührungspunkte sind: 

  • Betriebliche Weiterbildung
  • Essen in der Kantine
  • Gestaltung der täglichen Arbeit und Aufgaben
  • Arbeitsplatzgestaltung
  • Social Intranet und Collaboration-Tools

Kontinuierliches Zuhören über alle Feedback-Kanäle hinweg

Employee Listening umfasst Feedback-Kanäle, über die Beschäftigte jederzeit Rückmeldungen geben können. Zu ihrer Stimmung und Zufriedenheit, zum Arbeitsumfeld und zu ihren Bedürfnissen und Wünschen. Experten sprechen diesbezüglich von Continuous Listening, also permanentes Zuhören. Permanentes Zuhören ist deshalb bedeutsam, weil zwischen den klassischen Mitarbeiterbefragungen eine zeitliche Lücke klafft, in der sich bezüglich der Zufriedenheit, des Commitments und des Engagements von Beschäftigten viel ändern kann – ohne dass der Arbeitgeber möglicherweise etwas davon mitbekommt. 

2019 wurde im „Global Employee eXperience Report” der Unternehmensberatung Kincentric - Spencer Stuart deutlich, dass die Mitarbeitererfahrung die Performance von Organisationen insgesamt beeinflusst. Schon damals blitzten regelmäßige Befragungen der Beschäftigten (Continuous Dialogue), wie etwas Continuous Listening, Always-on-Befragung oder Pulsing, am HR-Trendhorizont auf. Als gesichert gilt heute, dass kontinuierliches Zuhören dazu beiträgt, das Engagement von Beschäftigten zu erhöhen sowie die Fehleranfälligkeit und Mitarbeiterfluktuation zu senken. 

Zuhören ist aber nicht gleich Zuhören. Employee Listening entfaltet seine Wirkung dann am besten, wenn es auch an die Bereitschaft beziehungsweise den Willen zum Verstehen gekoppelt ist. Maßnahmen fürs Employee Listening, seien es Online-Fragebögen, digitale Tools zur Datenanalyse, interaktive Berichte über die Ergebnisse oder die softwarebasierte Auswertung von Kommentaren im Social Intranet, sind schön und gut. Entscheidend ist aber, was Unternehmen aus dem, was sie von ihren Beschäftigten hören, ableiten: Was lernen wir daraus und welche Veränderungen sollten wir im Sinne des Gelernten anstreben?  

Ein so ausgestaltetes Employee Listening gibt Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Gefühl, an Entscheidungen und Veränderungen beteiligt zu sein. Das wiederum erhöht die Akzeptanz für die Handlungen von Entscheidungsträgern. Arbeitgeber, die glaubhaft deutlich machen können, dass ihnen an den Erfahrungen ihrer Beschäftigten mit dem Unternehmen gelegen ist, schenken Zutrauen und ernten im Gegenzug Vertrauen. So verkommt Employee Listening nicht zu einer bloßen trendigen Worthülse, mit der am Ende niemand wirklich etwas anfangen kann.