Systematischer Kandidaten-Research als Impuls für die Optimierung im Recruiting

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Heute kommen wir zum zweiten Teil unseres Rückblicks auf das Recruiting FORUM 2023. Einen weiteren spannenden Input hat uns Beate Schulte geliefert. Beate Schulte ist Employer Branding Expertin und verantwortet Talent Acquisition & Recruiting für die Produktmarke GEERS bei Sonova Retail Deutschland

In ihrem Vortrag zeigte sie die Bedeutung einer intensiven qualitativen Auseinandersetzung des Bewerbungsprozess aus Kandidat*Innensicht auf.

Die Kandidatenreise aus dem Blick der Kandidat*Innen verstehen lernen

Zum Start ihres Vortrag führte uns Beate Schulte kurz durch die Candidate und Employee Journey bei GEERS und zeigte wie beide Journeys zusammenhängend aus Sicht der Kandidat*Innen bzw. Mitarbeitenden zu betrachten sind. Auch wenn sie selbst vorwiegend an Recruiting-Kennzahlen gemessen wird, sei der Erfolg ihrer Maßnahmen immer auch davon abhängig, was davor und danach mit den Kandidat*Innen und Mitarbeitenden passiert.

Dieser ganzheitlicher Blick sei insbesondere dann wichtig, wenn wie bei GEERS viele Teilschritte im Personalgewinnungs-, Auswahl- und Einstellungsprozess dezentral in den Regionen stattfinden. Hier braucht es ein tiefgreifendes Verständnis von den unterschiedlichen Kandidat*innen-Gruppen, ihren Erwartungen und ihren Erfahrungen mit den Unternehmensprozessen.

Deshalb setzt sie auf einen intensiven qualitativen Kandidat*innen-Research mit neue Mitarbeitenden in der Onboarding-Phase, um ein umfassendes Bild zu der Wahrnehmung und den Erfahrungen der neuen Mitarbeitenden (und Ex-Kandidat*Innen) mit der Candidate Journey zu bekommen.

Systematisches Vorgehen für umfassendes Bild zur Candidate Experience

Insbesondere in der Onboarding-Phase, wo “die neuen Kollegen noch nicht so viele Termine haben", seien die neuen Mitarbeitenden aus Beate Schulte's Sicht sehr aufgeschlossen, um in ein Retrospektiven-Gespräch zum Bewerbungsprozess zu gehen. Hier sind die Eindrücke noch “frisch” und klar und gleichsam würden viele Mitarbeitenden die Einbindung und Rückfrage als wertschätzend empfinden.

Da es im Recruiting um Menschen geht, gilt es für Beate Schulte die Zwischentöne beim Erlebten, den Emotionen dahinter und der individuellen Bewertung zu verstehen. Hier sieht sie es als überaus wichtig an, mit einem qualitativen Research-Ansatz in Form von Einzelgesprächen Erkenntnisse zu gewinnen. Dies würde mehr Tiefe und Hintergründe aufzeigen - gleichermaßen abermals eine Wertschätzung für die Mitarbeitenden sein.

Wichtig sei es dabei aber ein systematisches Vorgehen. In Beate Schulte's Ansatz stehen dabei vier Untersuchungsaspekte im Mittelpunkt:

  1. Wahrnehmung der Arbeitgebermarke vor dem Bewerbungsprozess - Die rückblickend eingeschätzte Wahrnehmung der Arbeitgebermarke vor dem Bewerbungsprozess ist für Beate Schulte ein wichtiger Null-Messpunkt für alle Erwartungshaltungen danach. Ferner liesse sich daran auch immer wieder die Sinnhaftigkeit der Investitionen in verschiedene Arbeitgebermarken bewerten.
  2. Emotionale Bewertung der verschiedenen Phasen im Bewerbungsprozess - Hierbei lässt Beate Schulte die Kollegen im Gespräch eine Kurve ihrer emotionalen Wahrnehmung über die vier Phasen (vor, während, nach der Bewerbungsphase & erster Arbeitstag) erstellen. Der Kurvenverlauf - insbesondere die eventuellen “Täler” im Kurvenverlauf - geben dabei einen individuellen Einblick in negative Erfahrungsmomente.
  3. Mit der KALM-Methode zur systematischen Bewertung des Bewerbungsprozesses - Im dritten Schritt setzt Beate Schulte auf die KALM-Methode, ein Retrospektivenansatz für ein strukturiertes Brainstorming zu den Punkten Keep, Add, Less und More:
    • Keep: Was läuft gut und sollte behalten werden?
    • Add: Was sollte neu hinzugenommen werden, das bisher noch nicht gemacht wurde?
    • Less: Was kann verringert werden? Was ist nicht notwendig oder wertstiftend?
    • More: Was gibt es, das verstärkt werden sollte?
  4. Quantitative Bewertung verschiedener Aktionsdimensionen - In einem letzten Schritt diskutiert sie mit den Kollegen die eigene Bewertung von bei ihr vier definierten Aktionsdimensionen - Kommunikation, Prozesserlebnis, Informationslage und Cultural Fit. Entlang einer Skalenbewertung der vier Dimensionen bekommt sie so quantifizierbare Bewertungskriterien. Im Gespräch lässt sie die Kollegen die Bewertungen immer auch qualitativ bewerten.

Dieser Ansatz bietet Beate Schulte einen systematischen Einblick in die individuelle Wahrnehmungswelt der Ex-Kandidaten. 

Retrospektive als stetiger Optimierungsansatz

Die Retrospektiven werden von Beate Schulte und ihren Kollegen kontinuierlich durchgeführt. Die Ergebnisse werden ausgewertet, wiederkehrende Themen in Cluster und Arbeitspaketen zusammengefasst und dann systematisch für die Optimierung der Recruiting-Maßnahmen herangezogen.

In der Diskussion unterstrich Beate Schulte zudem die Wichtigkeit, dass dieses Vorgehen ein dauerhafter Ansatz sein sollte. Die Erwartungen auf Kandidatenseite sind dynamisch und entsprechend müssten die Schwerpunkte im Recruitingansatz ständig optimiert werden. Wichtig sei es dabei auch, die Ergebnisse wieder zurück in den HR-Bereich und die angrenzenden Schnittstellenbereiche z.B. im Management oder Führungskräfteentwicklung zu teilen, da - wie eingangs erwähnt - die Candidate und Employee Journey eng miteinander verzahnt seien.

Abschliessend ist festzuhalten, dass es im Recruiting ein Verständnis dafür braucht, dass die ständige Reflektion und Retrospektive der Bewerbungsprozesse aus Kundensicht ein sehr wichtiger Erkenntnisbaustein ist. Und dass die Kundensicht in der Tiefe nur über qualitative Untersuchungsansätze erschlossen werden kann.

  •  Leske

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